Leinenaggression

1. Wieso verhalten sich viele Hunde in Begegnungssituationen aggressiv?
Hunde sammeln täglich Lernerfahrungen und tuen nichts ohne Grund. Verhaltensweisen, die aus ihrer Sicht zum Erfolg führen und Erleichterung verschaffen, werden gefestigt und häufiger gezeigt. Dadurch entsteht schnell ein generalisiertes Verhalten. Der Hund denkt nicht mehr bewusst über seine Handlung nach, sondern reagiert sofort.

Aggressionsverhalten gehört zum Normalverhalten des Hundes und ist per se nichts Schlechtes. In Begegnungssituationen hat es zum Ziel, räumliche Distanz zu schaffen. Das Gegenüber soll verschwinden oder zumindest nicht näherkommen. Der Hund teilt deutlich mit, dass er mehr Zeit und Abstand braucht. Nähert sich der Hund trotzdem weiter an oder kommt das Gegenüber näher, so kann sich das aggressive Verhalten weiter steigern. Hunde verhalten sich aber nicht gerne aggressiv. Sie erleben in jeder leinenaggressiven Situation Stress und Aufregung, was sich langfristig wiederum negativ auf das körperliche Wohlbefinden auswirkt.

Aber wie kommt es überhaupt so weit? Dazu müssen wir uns ansehen, wie Hunde in einer Konfliktsituation reagieren können. In der Regel zeigen Hunde verschiedene „leise“ Konfliktstrategien schon sehr früh in der Geschichte einer Leinenaggression. Kommunikationsversuche wie subtile Beschwichtigungssignale werden leider häufig vom anderen Ende der Leine übersehen, Übersprungshandlungen missinterpretiert.

Zu den häufig gezeigten Beschwichtigungs- und Konfliktsignalen zählen unter anderem blinzeln, wegsehen, Kopf abwenden, Körper abdrehen, eine Pfote heben, über die Nase lecken, gähnen, schnüffeln, urinieren, verzögern, stehen bleiben, buddeln, in die Leine beißen etc. Wenn Hunde feststellen, dass diese freundliche, subtile Kommunikation nicht den gewünschten Erfolg bringt und ein Ausweichen oder Flüchten an der Leine unmöglich ist, gehen sie relativ schnell zum Angriff über, um die Distanz aufrechtzuerhalten. Zeigt sich der Hund in Begegnungssituationen sehr aufgeregt, begünstigt dies außerdem aggressives Verhalten.

Ein kleines Beispiel:
Der Halter geht mit seinem Hund auf einem Feldweg spazieren, als sich ein besonders lauter Traktor nähert. Der Hund zeigt sehr früh Beschwichtigungssignale wie leichtes Verzögern, kurzes Wegsehen und Über-den-Fang-Lecken. Der Halter übersieht diese Signale und geht direkt weiter. Als der Traktor dann vorbeifährt, springt der Hund seitlich weg und wird über die Leine an seiner Flucht gehindert. Wenige Momente später schüttelt er den Stress ab, hat aber gelernt, dass all diese Strategien keinen Erfolg gebracht haben. Die Gefahr ist groß, dass er künftig proaktiv mit Aggression auf laute Fahrzeuge reagieren wird.

Wenn Hunde in einen potenziellen Konflikt geraten, haben sie fünf Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Diese Konfliktstrategien werden als die sogenannten fünf „Fs“ bezeichnet: Flight, Fight, Freeze, Flirt/Fiddle about und Faint. Also Flucht, Angriff, Erstarren, Herumalbern/Übersprungshandlung und Passivität/erlernte Hilflosigkeit. Das Einfrieren (Freeze) ist häufig eine Vorstufe anderer Strategien, wenn der Hund im weiteren Verlauf keine Lösungsstrategie findet. Ein Hund, der einfriert, braucht

Hilfe! Hunde sind sich sehr wohl bewusst, dass sie sich im Konflikt an der Leine nur schlecht verteidigen und nicht flüchten können. Aus Sicht des Hundes bleibt am Ende nur, immer früher Aggressionsverhalten zu zeigen, um das Gegenüber auf Abstand zu halten. Aggressionsverhalten in Hundebegegnungen hat seinen Ursprung häufig auch in Frustration.

Wie der Hund zukünftig reagiert, wird unter anderem von seinen individuellen Lernerfahrungen beeinflusst. Junge Hunde probieren Konfliktstrategien aus und behalten bei, was sich für sie lohnt.

2. Welche Faktoren begünstigen eine Leinenaggression?

  • Die Genetik, insbesondere eine allgemein hohe Erregungslage, niedrige Frustrationstoleranz, generelle Unsicherheit und Scheu.
  • Schlechte Lernerfahrungen mit den Elterntieren oder den bereits vorhandenen Hunden in der Mehrhundehaltung, die z. B. bereits eine ausgeprägte Leinenaggression zeigen.
  • Schlechte Lernerfahrungen durch negative Erlebnisse und Traumata in der Vergangenheit. Der Welpe wurde z. B. von einem erwachsenen Hund angegriffen und verletzt.
  • Mangelnde Sozialisation oder Habituation in der Welpenzeit. Das heißt, der Welpe konnte zu wenig positive Erfahrungen mit belebten (Menschen, Hunde, Tiere) und unbelebten Umweltreizen (Geräusche, Gegenstände, Fahrzeuge, Rollstühle etc.) sammeln oder hatte früh ein negatives Erlebnis. Das Aggressionsverhalten tritt spätestens mit Beginn der Pubertät oder in der sozialen Reife im 2./3. Lebensjahr auf.
  • Gesundheitliche Probleme oder eingeschränkte Sinne führen schnell zu Fehlverknüpfungen und erhöhter Sensibilität gegenüber diversen Reizen.

3. Ursachen und Formen der Leinenaggression
Aggression ist nicht gleich Aggression und kann auch nur situationsbedingt gezeigt werden.

Angst
Viele Hunde stellen sich durch ein sicheres Drohverhalten stark dar, sind aber dennoch angstaggressiv. Schreck- und Strafreize in der Erziehung begünstigen Aggressionsverhalten außerdem. Häufig reagieren Hunde z. B. angstmotiviert auf laute Fahrzeuge, fallen dann aber in ein Jagdverhalten, wenn diese vorbeigefahren sind. Angstbedingte Leinenaggression festigt sich sehr schnell, da die darauffolgende Distanzvergrößerung stark belohnend ist.

Krankheit und Unwohlsein
Schmerzbedingte Aggression ist sehr vielfältig. Häufig sind es Probleme im Bewegungsapparat, Verdauungsapparat, Kopfschmerzen und organisch bedingte Probleme. Handicaps und Unwohlsein begünstigen Verhaltensprobleme.

Hormonell bedingte Leinenaggression
Vermehrt unter gleichgeschlechtlichen, intakten Tieren. Hündinnen zeigen häufig gesteigertes aggressives Verhalten rund um die Läufigkeit oder zum Schutz der Welpen.

Frustration
Frustrationstoleranz wird vornehmlich bis zum 6. Lebensmonat erlernt. Lernt der Hund in der frühen Entwicklung keinerlei Grenzen und Regeln kennen, hat das Stress, eine erhöhte Erregungslage und unter Umständen eine ungerichtete Aggression zur Folge.
Besonders junge Hunde lernen oft nicht, andere Hunde auch ohne Kontakt zu passieren. Es fehlt die Erfahrung, dass auch in der Nähe des Halters großartige Sachen passieren, auch wenn andere Hunde anwesend sind. Die freudige Erregung steigt an und endet in frustrationsbedingter Aggression, wenn kein Kontakt möglich ist und der Frust nicht aufgearbeitet wird. Das Gleiche gilt für Hunde, die plötzlich krankheitsbedingt keinen Hundekontakt haben dürfen. Der Fremdhund wird nach wenigen Wiederholungen mit starker Frustration verknüpft und jede weitere unglückliche Hundebegegnung verstärkt die negative Erwartungshaltung. Auch Welpen sollten schon lernen, ruhig an anderen Hunden vorbeizugehen.

Ressourcen
Dazu zählen Futter und Wasser, Liegeplätze und Durchgänge, Spielsachen und Territorien. Es kann also sein, dass ein Hund nur dann andere Hunde aggressiv fernhalten möchte, wenn der Halter das Lieblingsspielzeug in der Tasche trägt oder gerade Leckerlis verteilt.

Individualdistanz
Die Wohlfühldistanz eines Hundes ist sehr variabel und wird ständig neu definiert. Sie ist von vielen Faktoren abhängig, z. B. vom aktuellen körperlichen und psychischen Wohlbefinden, von Sympathie oder Antipathie, davon, wie sich das Gegenüber verhält, von den Lernerfahrungen und ob die Situation bekannt oder neu ist. Jeder Hund reagiert je nach Charakter und Tragweite des Geschehens auf die eine oder andere Art auf die Unterschreitung seiner Individualdistanz. Es gibt Hunde, die möchten einfach keinen Direktkontakt mit Fremdhunden und fühlen sich beispielsweise mit einer Individualdistanz von 3 Metern wohl.

Überforderung
Überforderung ist vielschichtig und entsteht nicht nur, wenn der Hund zu vielen Stressoren ausgesetzt ist. Wird der Hund an der Leine in schnelle und direkte Annäherungen gezwungen, verhindert der Halter höfliche Kommunikation und bringt den Hund in eine unangenehme Situation. Überforderung entsteht aber auch, wenn Hunde von ihren Haltern im Zusammenleben keine gesunde Führung erfahren und gelernt haben, alle Entscheidungen selbst treffen zu müssen. Dies ist häufig bei kleinen Hunden zu beobachten, denen die Welt tagtäglich zu Füßen gelegt wird.

Fehlverknüpfungen
Wann immer der Hund beim Anblick eines Artgenossen Negatives erlebt, besteht die Gefahr der Fehlverknüpfungen. Der Hund springt z. B. aus Aufregung beim Anblick eines anderen Hundes schmerzhaft in die Leine oder wird vom Halter ruckartig zurückgezogen. Die Lernerfahrung des Hundes ist, dass die Anwesenheit eines anderen Hunds zuverlässig einen Schmerzreiz hervorruft. Besonders stark ist dieser Effekt bei Hunden, die am Halsband geführt werden.

Erziehung und Training über Strafe
Strafen und Erziehungshilfsmittel, die auf Schreck oder Schmerz basieren, führen zuverlässig zu einer Fehlverknüpfung. Dazu zählen unter anderem auch Leinenruck und das Spritzen mit einer Wasserflasche. Abgesehen davon, dass solche Trainingsmethoden aus ethischen Gründen abzulehnen und tierschutzrelevant sind, lösen sie das Problem in der Regel nicht und wirken nur kurz und oberflächlich. Strafe aus lerntheoretischer Sicht so einzusetzen, dass sie wirklich Erfolg bringt, ist im Alltag nahezu unmöglich. Im schlimmsten Fall wertet der Hund das Schimpfen des Halters als lohnende Aufmerksamkeit und das unerwünschte Verhalten wird zusätzlich verstärkt. Die Risiken und Nebenwirkungen von positiver Strafe überwiegen deutlich.

Innerartlich
Es gibt Hunde, die generell ein Problem mit Artgenossen haben, nicht nur an der Leine. Auch diese Hunde müssen ein höfliches Verhalten erlernen, brauchen aber zusätzlich weiterführende Unterstützung, damit Direktkontakt mit ausgewählten anderen Hunden ermöglicht werden kann.

Die Spätfolgen einer Leinenaggression sind zum einen eine erschöpfte Impulskontrolle, wodurch der Hund künftig auch auf andere Reize übertrieben stark reagieren kann. Außerdem zeigt der Hund unter Umständen auffällig häufig Verhaltensweisen wie Kratzen, Schlecken, Buddeln, die Zerstörung von Dingen oder Jagdverhalten ohne bestimmte Auslöser.

4. Lerntheorie
Das Training umfasst vier Schwerpunkte. Durch Managementmaßnahmen im Alltag wird verhindert, dass der Hund weiterhin das unerwünschte Verhalten einüben kann. Parallel dazu beginnt das Umlernen über Gegenkonditionierung, Desensibilisierung und das Einüben alternativer Verhaltensweisen.

Die Reaktion auf einen Auslöser verläuft im Gehirn immer in folgender Reihenfolge: Die autonomen Abläufe sind die Basis. Reize werden zuerst emotional bewertet, bevor der denkende Teil im Gehirn angesprochen wird. Ist die emotionale Reaktion zu groß, wird der Cortex gehemmt. Der Hund ist nicht mehr ansprechbar und kann gelernte Inhalte nicht mehr abrufen.

Daher beginnt das Training immer mit Management und der Veränderung von Emotionen.

Managementmaßnahmen
Der Hund soll ab jetzt das unerwünschte Verhalten nicht weiter einüben. Die bisherige Lernerfahrung muss unterbrochen werden und das erreichen wir durch Managementmaßnahmen im Alltag. Managementmaßnahmen verhindern Reaktionen aber nicht nur, sondern können mittelfristig Verhalten verändern. Es entsteht eine Grundlage für Verhaltensveränderungen durch Training.

Diese Maßnahmen sind in der Regel sofort umsetzbar. Der Hund lernt, dass nicht jede Begegnung puren Stress bedeutet und es auch ohne Aufregung geht. Dabei verlegt man die Spaziergänge auf Zeiten, die möglichst einsam sind und auf Orte und Wege, die weitläufig und gut überschaubare sind.

Dazu ist es vielleicht nötig, für einen gewissen Zeitraum mit dem Auto zu geeigneten Strecken zu fahren. Denkbar ist auch, dass vorübergehend eine andere Person spazieren geht, die den Hund möglicherweise entspannter führen kann. In der Mehrhundehaltung kann es nötig sein, die Hundegruppe für die Gassirunden aufzuteilen. Hunde, die im Freilauf absolut unkompliziert sind, können in Freilaufzonen und eingezäunten Flächen bewegt werden.

Zum Management zählt auch Ablenkung. Das heißt, der Hund wird so geführt oder beschäftigt, dass er nicht mitbekommt, dass ein Auslöser auftaucht. Parkende Autos, Hecken oder Hauseingänge sind ein willkommener Sichtschutz. Auch Ablenkung durch Dauerfütterung mit vielen, sehr kleinen Käsestückchen oder der Leberwursttube ist erlaubt. Ablenkung geschieht immer auf freiwilliger Basis und dauert so lange, bis der Auslöser wieder verschwunden ist. Kleine Hunde dürfen auf den Arm genommen werden, sofern sie sich dort wirklich sicher und wohl fühlen. Bei Ablenkung lernt der Hund kein erwünschtes Verhalten, sondern wird lediglich darin gehindert, etwas Falsches zu lernen.

Gegenkonditionierung
Über die Gegenkonditionierung wird die Emotion des Hundes beim Anblick eines Auslösers ins Positive verändert. Es entsteht eine neue emotionale Verknüpfung. Eine besondere Belohnung (z. B. Leberwurst) muss dem Hund Freude bereiten und so lange präsentiert werden, wie der Auslösereiz zu sehen ist. Es entsteht eine zeitliche Verknüpfung: Der Auslöser tritt auf, das Schöne beginnt, bis der Auslöser weg ist. Die Konditionierung ist erfolgt, wenn der Hund beim Anblick des Auslösers die Erwartungshaltung auf die Belohnung zeigt.

Beginnt das Schöne, bevor der Hund den Auslöser wahrgenommen hat, handelt es sich um Management. Beginnt das Schöne, sobald der Hund den Auslöser wahrnimmt, ist es eine Form der Gegenkonditionierung.

Desensibilisierung
Bei der Desensibilisierung wird der Auslösereiz so klein wie möglich gehalten. Der Fremdhund befindet sich z. B. in sehr großer Distanz. Der Hund ist immer in einer entspannten Lage, bis die gewünschte Gewöhnung eintritt. Die Annäherung erfolgt kleinschrittig. Die Desensibilisierung wird unterstützend in Kombination mit der Gegenkonditionierung angewendet.

Alternativverhalten
Während die Auslösereize in ausreichender Distanz gegenkonditioniert werden, wird ein Alternativverhalten aufgebaut. Dafür sind Belohnungen notwendig, die den Hund besonders glücklich machen. Das Alternativverhalten darf nicht mit dem unerwünschten Verhalten vereinbar sein. Das neue Verhalten wird erst in Problemsituationen abgefragt, wenn der Hund von sich aus beim Anblick des Auslösers Kontakt mit dem Halter aufnimmt. Der Hund lernt jetzt das neue Verhalten, anstatt das alte zu zeigen.

Bestrafungen vermeiden
Verhalten kann als Konsequenz entweder verstärkt oder bestraft werden. Warum wir nicht mit Strafe arbeiten: In einer Begegnungssituation sehen wir häufig den Leinenruck, körperliches Blocken, den Einsatz der Wasserflasche, Schimpfen oder eine körperliche Maßregelung als Strafmaßnahmen. Der Hund ist aber bereits aus Frust, Angst oder Wut in einer negativen Emotion und hohen Erregungslage. Der Halter fügt durch diese aversiven Maßnahmen noch Unangenehmes hinzu. Der Hund lernt also überwiegend, dass der Auslöser auch eine unangenehme Reaktion des Halters zur Folge hat. Sein Verhalten wird künftig tendenziell früher und stärker einsetzen.

 Fällt die Strafe so stark aus, dass der Hund in seinem Verhalten gehemmt wird und nach außen ruhig erscheint, ist seine Emotion aber weiterhin unverändert. Das Problemverhalten kann nun an anderer Stelle oder plötzlich sehr intensiv auftreten.

5. Verfassung des Hundes, Einfluss des Halters
Training kann nur erfolgreich sein, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählt, dass die Haltungsbedingungen des Hundes unter Umständen optimiert und Stressoren gleichzeitig minimiert werden müssen. Die (rassespezifischen) Grundbedürfnisse müssen erfüllt sein. Viele Verhaltensprobleme entstehen durch Krankheiten oder werden durch Unwohlsein verstärkt (Bewegungsapparat, Verdauungstrakt, Zähne, Schilddrüse, Juckreiz, Allergien). Sobald Aggression und Angst eine Rolle spielen, sollte der Halter einen gründlichen Check beim Tierarzt in Erwägung ziehen.

6. Was sind potenzielle Stressoren (stressauslösende Reize)? ­
Stress lässt sich in Eustress (Aktivierung und optimale Leistungsbereitschaft) und Disstress (schädliches Übermaß an Anforderungen) einteilen. Beide Stressbelastungen führen zur Ausschüttung von Stresshormonen. Der Abbau auf ein Normallevel dauert je nach Intensität zwischen einem halben Tag und 6 Tagen. Erlebt der Hund nahezu täglich Stress, wenn er auf einen entsprechenden Auslöser trifft, fehlt die Erholungszeit und er wird immer schneller und früher reagieren.

Stress wird aufgebaut durch:

  • Zu langes, wildes oder häufiges Spiel (Wurf- und Hetzspiele aber auch Spiel mit anderen Hunden).
  • Zu lange und häufige Aktivitäten (Spaziergänge, Training, Ausflüge etc.; der Hund ist immer mit dabei).
  • Zu viele Umweltreize (Geräusche, Gerüche, Menschen etc.).
  • Eine zu hohe Hundedichte.
  • Uneindeutige Signale, unvorhersehbare Strafen, zu hohe Anforderungen.
  • Erwartungsunsicherheit durch ständig veränderte Regeln und unvorhersehbares Verhalten des Halters.
  • Zu hohe Anforderungen und Erwartungen.
  • Zu wenig Ruhezeiten durch Anwesenheit von Kindern, Besuchern; lauter und hektischer Haushalt.
  • Mangelnde Auslastung, Unterforderung.

7. Einfluss des Halters
Im Allgemeinen neigen Halter dazu, erregt und nervös zu werden, sobald sich eine Situation ankündigt, in welcher ihr Hund sich problematisch verhalten könnte. Dies kann bewirken, dass die Reaktion des Hundes deutlich heftiger ausfällt, als sie es normalerweise wäre. Der Hund wird beispielsweise bereits angespannt ermahnt und die Leine kurz und straff gehalten, sobald ein Auslöser erscheint.

Auch besteht die Möglichkeit, dass das Verhalten des Hundes durch die Reaktion des Halters unabsichtlich verstärkt wird. Für Hunde als soziale Tiere sind Zuwendung und Aufmerksamkeit eine sehr wichtige Ressource. Jede Art der Zuwendung wirkt demnach verstärkend. Das gilt leider nicht nur für freundliche Reaktionen wie Ansprechen, Berührungen und Ansehen, sondern auch für Versuche, unerwünschtes Verhalten abzubrechen. Selbst wenn der Hund durch Schimpfen das problematische Verhalten unterbricht, wird er das Verhalten in Zukunft insgesamt häufiger zeigen.

Unerwünschtes Verhalten entwickelt sich also nicht nur, weil der Hund subjektiv Erfolg empfindet, sondern auch, weil der Halter in irgendeiner Form darauf reagiert.

Das Ziel von uns Hundetrainern muss sein, dem Halter durch das Aufzeigen und Einüben neuer Strategien wieder Sicherheit und Selbstvertrauen zu geben. Das negative Gefühl in einer früher als problematisch empfundenen Situation soll sich dahingehend verändern, dass der Halter darin eine erneute Möglichkeit zum Training sieht, und dieser nicht mehr hilflos gegenübersteht. Das bedeutet: Nicht nur die emotionale Verfassung des Hundes muss durch Training verändert werden, sondern auch die des Halters.