Wenn der Rückruf schwierig ist, Teil 1

Neben einer guten Leinenführigkeit ist ein perfekter Abruf einer der Hauptwünsche von Hundehaltern. Besonders mit dem Eintritt in die Pubertät wird der Rückruf, der vorher weniger ein Problem war, zu einer Herausforderung. Der zuerst noch anhängliche Welpe wird durch das Einschießen der Hormone unsicherer und auch risikofreudiger. Der Mensch, der bis dato die Sicherheit in der Umwelt darstellte, ist nun plötzlich nicht mehr das Zentrum, um das sich alles dreht. Häufig wird der Radius um diesen größer und auch die ersten Jagdausflüge fallen in diese Phase. Viele Hunde lernen also, dass es Spaß macht, sich weiter weg vom Halter aufzuhalten. Eventuell wurden dem Hund bis dahin auch viele Freiheiten gewährt und es wurde nicht darauf geachtet, dass der Spaziergang eine gemeinsame Aktivität ist, weil es quasi wie von selbst lief. Vielleicht ist der Rückruf an sich auch negativ belegt worden, weil er zur Ankündigung für die Beendigung des Spaßes/Freilaufs geworden ist.

Meist kommt dann früher oder später der Zeitpunkt, wo die Halter Hilfe suchen, weil sich ein Leidensdruck bemerkbar macht. Fast immer ist es dann schon so weit gekommen, dass die Hunde gelernt haben, dass sie den Rückruf getrost auch ignorieren können. Das Signal ist also „verbrannt“, bedeutungslos geworden oder mit einer anderen Bedeutung belegt worden und muss neu aufgebaut werden. Auch Halter, die Hunde neu aufgenommen haben, z.B. aus dem Tierschutz, wünschen sich einen sicheren Rückruf, um ihrem neuen Familienmitglied mehr Freiheit gewähren zu können und selber Sicherheit zu erfahren. Unterschiedlichste Erfahrungen haben auch bei diesen Hunden oft dazu geführt, dass der Mensch draußen nicht unbedingt die zentralste Rolle spielt.

DIE 21 HÄUFIGSTEN FEHLER BEIM RÜCKRUFTRAINING – UND WARUM ES NICHT KLAPPT

  • Es wird erst etwas getan, nachdem der Hund bereits „Nicht-Kommen“ mit Spaß assoziiert hat (also zu spät)
  • Welpen-Fehlglaube: durch das altersbedingte schnelle Folgen des Welpen glauben viele Hundebesitzer, ihr Hund beherrsche den Rückruf schon.
  • Durch große Freiheiten erlebt der Hund Wohlbefinden und Freude in größerer Distanz zum Halter.
  • Die Halter haben Angst vor dem Ableinen: Der Welpe und Junghund wird dauerhaft an der Leine geführt. Ein Abruftraining wird auf später verschoben.
  • Das Abrufsignal ist nicht in einem Training mit dem Herankommen verknüpft worden: der Hund weiß also gar nicht, was er tun soll, wenn er das Signal bekommt.
  • Mangel an Definition: das Ziel für den Rückruf ist unklar für den Menschen und den Hund.
  • Es kommt zu einer Vermengung verschiedener Abrufsignale mit unterschiedlichen Bedeutungen, z.B. „Komm“ für das Herkommen, Mitkommen oder sich von etwas entfernen; „Hier“ für das Rankommen oder nahe beim Menschen laufen usw.
  • Intonationsfehler beim Rufen. Das Signal im Training klingt anders als im Ernstfall: das „Hier“ wird bei Sichtung eines Rehs zu einem Hinweis „Da ist ein Reh“, während im Training eine andere, entspannte Stimmlage benutzt wird.
  • Hund und Mensch haben eine unterschiedliche Wahrnehmung. Dies kann dazu führen, dass der Hund glaubt (nach seiner Definition), dass er schon da sei, der Mensch den Abstand aber noch als zu groß empfindet. Sie nehmen Nähe und Weite unterschiedlich wahr.
  • Das Rückrufsignal wird bedeutungslos bzw. bekommt für den Hund bei wiederholtem Einsatz nur noch die Information, wo sich sein Mensch jetzt gerade aufhält.
  • Der Hund wird bei guter Leistung zu gering verstärkt: der Hund wird gar nicht oder falsch belohnt.
  • Die geplante Verstärkung ist in Wirklichkeit eine Strafe, z.B. Über-den-Kopf-Streicheln.
  • Es wurden Distanzstrafen (z.B. Elektrohalsband, Sprühhalsband) angewendet und auch noch falsch eingesetzt. Somit kam es in der Folge zu Fehlverknüpfungen.
  • Für den Hund hat es unangenehme Folgen, wenn er kommt: er wird z.B. gerufen, nachdem der Halter den durchwühlten Müllsack in der Wohnung gefunden hat und beim Kommen dann bestraft/ausgeschimpft.
  • Für den Hund ist der Spaß vorbei, wenn er zum Halter kommt: z.B. wird er an kurzer Leine weitergeführt, wenn er sich von anderen Hunden hat abrufen lassen.
  • An konkurrierenden Motivationen (Wild, andere Hunde, usw.) wird nicht separat trainiert.
  • Bei ängstlichen Hunden wird nicht zuvor die Angst vor dem (eigenen) Menschen durch Desensibilisierung oder Gegenkonditionierung genommen.
  • Der Mensch sendet unbewusst Drohsignale beim Rückruf aus.
  • Der Glaube an das Funktionieren ist beim Menschen nicht vorhanden und daher strahlt er eine geringe Motivation oder gar Hilflosigkeit aus.
  • Es wird ohne einzelnes Vortraining gleichzeitig mit mehreren Hunden trainiert.
  • Der Hund ist unausgelastet: Er soll zurückkommen unter dem Stress der Unterforderung, obwohl er dafür gerade ein Ventil gefunden hat.

Ziel
Der Hund soll lernen, dass es gut ist, sich an seinem Menschen zu orientieren. Ein perfekter und sicherer Rückruf kann nur gelingen, wenn diese vier wichtigen Säulen erfüllt sind:

  • Ein Hund, der sich zuverlässig abrufen lässt, orientiert sich allgemein sehr gerne an seinem Menschen und ist gerne bei ihm.
    Er hat also die Erfahrung gemacht, dass es ihm guttut, auf seinen Menschen zu achten, d.h. er gibt ihm ein gutes Gefühl in Form von Sicherheit, Spaß, Entspannung usw. Er behält darum auch unterwegs draußen eine gewisse Nähe zu seinem Menschen bei und sucht immer mal wieder Kontakt zu ihm.
  • Als Zweites lässt sich ein abrufbarer Hund von Reizen umlenken.
    Er hat also gelernt, auch bei Dingen, die er spannend findet und wo er gerne hinmöchte, auf seinen Menschen zu hören und sich von den Reizen abzuwenden bzw. dem Menschen zuzuwenden. Er fühlt und weiß, dass es Sinn macht, sich auch dann seinem Menschen zuzuwenden, wenn an anderer Stelle eine attraktive Ablenkung lockt. Dies können andere Menschen oder Hunde sein, aber auch eine tolle Schnüffelstelle oder Mauselöcher.
  • Drittens hat ein Hund, der sich abrufen lässt, gelernt ganz bis zu seinem Menschen heranzukommen.
    Ihm ist genau klar, dass er beim Rückruf nahe zu seinem Menschen laufen und dort auch bleiben soll, bis dieser die Übung wieder auflöst. Er fühlt sich wohl nah bei seinem Menschen und weiß, dass es sich lohnt dort zu verweilen: vielleicht wird er gleich wieder ins freie Spiel entlassen oder bekommt eine andere tolle Belohnung.
  • Und der Hund weiß viertens, was genau er tun soll, wenn er beim Menschen angekommen ist. Die Endhandlung beim Rückruf ist genau definiert und der Hund weiß, was seine Aufgabe ist, wenn er beim Menschen ist. Ihm ist klar, dass er z.B. auf der linken Seite, parallel zu den Beinen seines Menschen, sitzen soll. So kommt es zu keinen Schwierigkeiten in der Umsetzung und

Missverständnisse zwischen Mensch und Hund werden vermieden.

Damit der Hund später zuverlässig abrufbar ist, ist es unumgänglich, ein eindeutiges Signal für den Rückruf zu verwenden. Da wir den Rückruf benötigen, um den Hund aus einer gewissen Distanz zu uns zurückzuholen, brauchen wir in erster Linie ein Hörzeichen. Der Hund wird uns nicht immer anschauen bzw. auch mal durch einen Reiz abgelenkt sein, wenn wir ihn abrufen möchten, daher ist ein reines Sichtzeichen ungeeignet. Bei der Wahl des geeigneten Hörzeichens für den Rückruf gibt es ein paar Dinge zu bedenken. Generell haben wir zwei Möglichkeiten: den Rückruf über ein Wortsignal oder den Rückruf mithilfe einer Pfeife. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile, daher sollte der Halter immer anhand des eigenen Geschmacks
und vor allem der Alltagstauglichkeit entscheiden!

Denke daran zu erklären, welche Schwierigkeiten auftauchen könnten.

Bei kleinen Hunden kann es nötig sein, den Blick auf etwas am Boden zu richten, damit der Mensch dennoch aus dem Augenwinkel sehen kann, wenn sein Hund guckt.

Bei Hunden mit nicht so hoher Reaktivität kann ein kurzes Umwenden zum Menschen anfangs schon ein Grund zum Verstärken sein usw. Es kann Hunde geben, die sich erst mal auch nur halb zum Menschen umwenden oder man nur an den Ohren erkennt, dass sie gerade ihre Aufmerksamkeit auf den Menschen richten. Bei solchen Hunden sollte dann zu Beginn auch schon jedes kleine Anzeichen bestätigt werden.

Es kann vorkommen, dass der Hund, auch wenn der Halter alles richtig macht, dennoch nicht zum Menschen schaut. Meist liegt der Grund in zu großen Ablenkungen. Dies können die spielenden Kinder im Garten sein oder die falsche Umgebung: schnüffelt der Hund gerne im Wald, sollte vorerst nicht dort trainiert werden. Hier gilt es, zuerst die ablenkenden Reize zu erkennen und dann so weit zu reduzieren, dass der Hund auf jeden Fall, dass erwünschte Verhalten zeigen kann.

Wenn der Hund so gar nicht darauf kommt, was von ihm erwartet wird, darf der Halter in Ausnahmefällen dem Hund anfangs einen kleinen Hinweis in Form eines Geräusches, z.B. Schnalzen geben, damit er schaut. Dies sollte aber schnellstmöglich wieder abgebaut werden und ist nur als temporäre Hilfe zu betrachten, die den Hund auf die richtige Spur bringen soll!

Jetzt wisst ihr, wie der perfekte Rückruf mit seinem Hund aussehen soll. Es reicht nicht zu sagen, dass der Hund einfach kommen soll. Damit sind wir zu schwammig, was zwangsläufig dazu führen wird, dass auch das Verhalten unseres Hundes schwammig und unzuverlässig wird.

Um ein Ziel zu definieren ist es wichtig, sind am besten vier Fragen zu beantworten:

  1. Was genau soll der Hund tun?
  • Auf welches Signal hin soll der Hund dieses Verhalten zeigen und wie lange hat er Zeit, darauf zu reagieren?
  • Bis wohin soll der Hund kommen und wie soll er sich beim Menschen aufhalten?
  • Wie lange soll der Hund in der Haltung und beim Menschen bleiben?

Beispiel:

Der Hund soll auf direktem Wege freudig zu seinem Menschen laufen und sich mittig vor ihm hinsetzen.

  • Er soll sich innerhalb von zwei Sekunden, nachdem er den Doppelpfiff gehört hat, zu seinem Menschen in Bewegung setzen.
  • Er soll mit seinen Pfoten max. 30 Zentimeter von den Zehenspitzen des Menschen entfernt sitzen.
  • Er soll so lange sitzen bleiben, bis sein Mensch ein „Auflösesignal“ oder ein anderes Signal gibt.